An dieser Stelle möchten wir Ihnen Einblicke in die Ergebnisse unserer Forschungsarbeit geben – zu denen Sie und Ihre Kinder einen wesentlichen Teil beigetragen haben.
In diesem Forschungsprojekt widmeten wir uns der Frage, ob Kinder indirekte Kommunikation verstehen und ob sich deren Verständnis von dem Verständnis direkter Kommunikation unterscheidet. Dabei interessierte uns vor allem das Blickverhalten, da dieses Aufschluss über Verarbeitungsprozesse beim Hören von direkter und indirekter Kommunikation geben kann.
Indirekte Kommunikation zu verstehen ist eine wichtige Voraussetzung in der alltäglichen Interaktion mit anderen Menschen, denn meist werden Absichten und Intentionen nicht explizit kommuniziert. Eher ist es dem Beobachter überlassen, diese aus Handlungen oder Äußerungen abzuleiten. Wenn zum Beispiel ein Kind seine Mutter fragt, ob es ein paar Kekse haben könnte und die Mutter sagt: „Es gibt bald Abendessen“, verstehen wir, dass dieser Satz in diesem speziellen Kontext bedeutet, dass das Kind keine Kekse bekommen soll.
In dieser Studie sahen Kinder Videostimuli, bei denen zwei Puppen alltägliche Situationen erlebten und für verschiedene Handlungen Objekte brauchten, die die Kinder ihnen durch Drücken von Tasten geben konnten. So wollten die Puppen zum Beispiel Frühstück essen und hatten dafür Cornflakes oder Toast zur Auswahl. Auf die Frage, welche dieser beiden Möglichkeiten sie haben wollten, sagten die Puppen zum Beispiel: „Ich habe eine Schüssel“. Die Aufgabe der Kinder war nun zu entscheiden, ob die Puppen die Cornflakes oder den Toast haben wollten. Zusätzlich wurde die Pupillenweite der Kinder vor der Äußerung (Baseline), nach der Äußerung und nach der Wahl gemessen. Die Erweiterung der Pupille in Folge eines kognitiven Reizes deutet auf einen erhöhten Verarbeitungsaufwand, auf höhere kognitive Aktivität, hin.
Unsere vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass Kinder das von den Puppen intendierte Objekt beim Hören von direkter Kommunikation häufiger wählten als beim Hören von indirekter Kommunikation. Außerdem gibt es Altersunterschiede, da 5-Jährige richtiger wählten als 3-Jährige.
Bezüglich des Verarbeitungsaufwands konnten wir feststellen, dass die Pupillengröße von Kindern zwischen den drei Zeitpunkten zunahm (wenn Kinder ableiten mussten, wie sich die Äußerung auf die betreffenden Objekte bezog). Dies war bei 5-Jährigen stärker der Fall als bei 3-Jährigen. Allerdings konnten wir keinen Unterschied zwischen der Verarbeitung von direkter und indirekter Kommunikation feststellen. Wir schließen daraus, dass einerseits die Leistung der Kinder bei der Objekt-Auswahl darauf hindeutet, dass indirekte Kommunikation schwieriger zu verstehen sei als direkte Kommunikation. Andererseits scheinen die kognitiven Anforderungen bei der Verarbeitung beider Kommunikationsarten jedoch ähnlich zu sein.
Manche Kinder können sich leicht konzentrieren, Klassenregeln mühelos einhalten und sogar längerfristige Aufgaben wie die Vorbereitung auf einen schriftlichen Test schon selbstständig meistern. Andere lassen sich leichter ablenken und führen Aufgaben häufig nicht zu Ende. Solche individuellen Unterschiede in der Selbstregulation hängen mit dem Schulerfolg, insbesondere aber mit dem mathematischen Lernen zusammen.
SELMA 3 beschäftigt sich daher mit der Frage, welche kognitiven und motivationalen Faktoren eine gute Selbstregulation fördern können. Dabei wurden bei den teilnehmenden Leipziger Drittklässlern speziell zwei Aspekte untersucht: Die kognitiven Kontrollfunktionen und das Fähigkeitsselbstkonzept in Bezug auf Mathematik. Kognitive Kontrollfunktionen sind Fähigkeiten, die eine Überwachung der eigenen Gedankengänge ermöglichen – z. B. die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her wechseln zu können oder die Fähigkeit, viele Informationen gleichzeitig im Kurzzeitgedächtnis zu behalten und bei der Aufgabenbearbeitung zu berücksichtigen. Das Fähigkeitsselbstkonzept bezieht sich darauf, wie gerne ein Kind sich mit Mathematik beschäftigt, wie interessant es das Fach findet, und wie es seine eigene mathematische Fähigkeit einschätzt. Es zeigte sich, dass Kinder mit vergleichsweise gut entwickelten Kontrollfunktionen sowie Kinder mit einem positiven Fähigkeitsselbstkonzept auch eine höhere (durch Eltern oder Lehrkräfte eingeschätzte) Selbstregulationsfähigkeit aufwiesen.
Eine weitere Fragestellung von SELMA 3 konzentrierte sich auf Zusammenhänge zwischen kognitiven Kontrollfunktionen einerseits und Selbstregulation andererseits mit den tatsächlichen Mathematikleistungen. Erste Analysen zeigen, dass Kinder mit vergleichsweise guten kognitiven Kontrollfunktionen höhere Mathematikleistung aufweisen. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass Kinder mit gut entwickelten kognitiven Kontrollfunktionen unmittelbare Vorteile während der Arbeit an mathematischen Aufgaben haben. So erfordern die Aufgaben oft, dass Kinder bestimmte Lösungsschritte im Kurzzeitgedächtnis speichern. Darüber hinaus hängt aber auch die Selbstregulation direkt mit besseren Mathematikleistungen zusammen. Eine Interpretation dieser Ergebnisse ist, dass Kinder mit guter Selbstregulation Lernangebote wie etwa direkte Instruktion oder Übungsaufgaben gewissenhafter und damit effizienter nutzen. Es gelingt ihnen zum Beispiel besser, einer längeren Erklärung konzentriert zu folgen.
Eine Schlussfolgerung daraus ist, dass Kinder ihre Mathematikleistung auf mehreren unterschiedlichen Wegen verbessern können: Während Kindern mit gut entwickelten kognitiven Kontrollfunktionen einiges leichter fällt, können auch Kinder mit weniger gut entwickelten kognitiven Kontrollfunktionen an ihrem selbstregulativen Verhalten arbeiten und damit positive Effekte auf ihre Mathematikleistung erzielen.
Im Projekt KEeKs interessieren wir uns für den Einfluss sprachlicher Fähigkeiten auf die Entwicklung emotionaler Kompetenzen im Kindergarten- und Grundschulalter. Eine zentrale emotionale Kompetenz, welche sich in der frühen bis mittleren Kindheit entwickelt, ist die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu regulieren, d. h. das eigene emotionale Erleben und damit verbundene Handlungstendenzen mit persönlichen Zielen und sozialen Anforderungen in Einklang zu bringen. Die Fähigkeit zur Emotionsregulation stellt wiederum eine wichtige Basis für den Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen dar konnte in Zusammenhang mit dem Schulerfolg von Kindern und Jugendlichen gebracht werden.
Interessanterweise lässt sich beobachten, dass Kinder mit gut entwickelten Sprachfähigkeiten ihren Emotionsausdruck sowie impulsives Verhalten häufig vergleichsweise besser regulieren können und auch seltener unter Verhaltensproblemen leiden als Kinder mit noch nicht so gut entwickelten Sprachfähigkeiten. Es wird angenommen, dass es Kindern durch gut entwickelte sprachliche Fähigkeiten leichter fällt, Interaktionen mit ihren Eltern und Erziehern zum Thema Emotionen nachzuvollziehen und ihr Wissen über Emotionen und mögliche Strategien zur Emotionsregulation begrifflich besser verankern und abrufen zu können. Zudem fällt es Kindern mit gut entwickelten Sprachfähigkeiten möglicherweise leichter, ihre Bedürfnisse und Gefühle zu kommunizieren und so Probleme erfolgreich zu lösen.
In einer bereits abgeschlossenen Studie sind wir der Frage nachgegangen, wie sich der emotionsbezogene Wortschatz entwickelt, d. h. wie differenziert Kinder in verschiedenen Altersgruppen über Emotionen sprechen und welche Rolle dies für das Wissen der Kinder zum Umgang mit verschiedenen Emotionen spielt. In unserer Studie haben sich insgesamt 120 Kindergarten- und Grundschulkinder im Alter von 4 bis 11 Jahren 20 Bildergeschichten angeschaut, in denen die Figuren verschiedenste Situationen durchlebten, die jeweils unterschiedliche Emotionen ausgelöst haben. Sechs der Geschichten beschrieben primäre Emotionen wie z. B. Freude, Angst und Ärger. Die 14 anderen zeigten komplexe Emotionen wie z. B. Stolz, Zufriedenheit oder Neid. Aufgabe der Kinder war nun, zu beschreiben, wie sich die Figur in der Bildergeschichte fühlt. In einem zweiten Schritt haben wir uns angeschaut, welches Wissen die Kinder schon über Strategien zur Emotionsregulation haben.
Herausgefunden haben wir, dass die Kinder mit wachsendem Alter zunehmend verschiedene Wörter benutzten, um unterschiedliche emotionale Zustände zu benennen. Abgesehen von Begriffen wie „gut, schlecht, traurig, fröhlich“ drückten die Kinder ihre Gefühle mit den Worten „erschrocken, stolz, geborgen, zufrieden“ aus. Dieses Ergebnis mag erst einmal nicht überraschen. Allerdings konnten Kinder mit einem größeren Emotionswortschatz auch mehr Möglichkeiten benennen, mit denen sie ihre Emotionen regulieren können. Auf die Frage, was die Kinder tun, wenn sie beispielsweise traurig (oder ärgerlich oder ängstlich) sind und nicht mehr traurig (oder ärgerlich oder ängstlich) sein möchten, berichteten Kinder mit einem größeren emotionalen Wortschatz häufiger von Strategien wie etwa dem konkreten Lösen des Problems bzw. dem Versuch eine gute Lösung zu finden (z. B. mit demjenigen sprechen, der einen verärgert hat oder jemanden um etwas bitten, dass man haben möchte). Falls das in der gegebenen Situation für die Kinder nicht möglich war, versuchten sie sich abzulenken, indem sie z. B. an etwas Schönes dachten. Manche Kinder bewerteten die Situation um und maßen ihr weniger (negative) Bedeutung zu, indem sie sich sagten: „Eine schlechte Note ist kein Weltuntergang“ oder „In ein paar Tagen sieht alles wieder besser aus“. Im Gegensatz dazu beschrieben Kinder mit noch vergleichsweise geringen emotionalen Sprachfähigkeiten häufiger Verhaltensweisen wie Aggression, Rückzug oder Selbstabwertung, mit denen sie auf schwierige Situationen reagierten.
Besonders im Vorschulalter kannten Kinder mit einem größeren emotionalen Wortschatz eine höhere Anzahl gelungener Strategien im Umgang mit negativen Gefühlen. Diese Ergebnisse unterstützen unsere Vermutung, dass das Sprechen über und das Benennen von emotionalen Erfahrungen von großer Bedeutung sind, um Kinder darin zu unterstützen, ein umfangreiches Verständnis von Emotionen zu entwickeln und somit die vielfältigen Strategien im Umgang mit Gefühlen kennenzulernen.
Im alltäglichen Leben versuchen wir, uns das Handeln anderer aufgrund ihrer Ziele und Absichten zu erklären oder vorherzusagen. Interessant sind dabei vor allem die Erwartungen, die wir aufgrund der Wahrnehmung einer Situation und unseres Wissens über das Gegenüber hegen. Denn aufgrund dieser Erwartungen beurteilen wir dessen Handlungen – hat das Gegenüber sein Ziel erreicht? Oder wir wundern uns, wenn etwas ganz anderes eintrifft als das, was wir erwartet haben.
In dieser Studie wollten wir wissen, ob 18-Monate-alte Kleinkinder schon Erwartungen bezüglich der Handlungen anderer ableiten, ob sie dabei das Wissen der anderen Person in Betracht ziehen und ob sie ihre Erwartungen ändern, je nachdem, ob die Person etwas hört, was ihre Handlungen beeinflussen sollte oder nicht.
Die 18-Monate-alten Kleinkinder sahen, wie eine Studienleiterin (SL1) einen Ball in eine Kiste legte und dann hinter einem Vorhang verschwand. Danach nahm eine zweite Studienleiterin (SL2) den Ball aus der Kiste heraus und legte ihn in eine Tasse. Danach kam SL1 wieder hinter dem Vorhang hervor und SL2 teilte ihr mit, wo der Ball sich nun befindet. In diesem Fall nahmen die Kleinkinder an, dass SL1 den Ball auch dort sucht, wo er gerade ist – schließlich wurde ihr soeben mitgeteilt, wo er ist.
Wichtig dabei ist aber, dass SL1 auch tatsächlich hören kann, was SL2 über den Ball sagt. War SL1 während der Aussage über den Ortswechsel des Balls nach wie vor hinter dem Vorhang, gingen Kleinkinder nicht davon aus, dass SL1 an der Stelle sucht, wo sich der Ball nun befindet. Sie sehen diese Information also nicht als kommuniziert – an SL1 vermittelt – an. Daraus schließen wir, dass 18-Monate-alte Kleinkinder einfache sprachliche Aussagen von tatsächlicher Kommunikation zwischen Sprecher und Empfänger unterscheiden können.
Wurde gar nichts gesagt, so erwarteten die Kleinkinder, dass SL1 an der Stelle sucht, an dem sie den Ball ursprünglich abgelegt hatte. Das bedeutet, dass die Kleinkinder in dieser Studie die Handlungen anderer richtig einschätzen können, sogar wenn das Wissen der anderen Person (SL1 glaubt, der Ball sei in der Kiste) nicht mit ihrem eigenen Wissen (der Ball ist tatsächlich in der Tasse) übereinstimmt. Sie sind also in der Lage, sich in andere Personen und deren Wissenstand hineinzuversetzen und berücksichtigen diese Überlegungen bei der Vorhersage von möglichen nächsten Handlungen.